Hund sein lassen
Ich erlebe es immer wieder. Überdrehte, wild rumrennende Hunde, außerhalb jeglichen Einflusses seitens des Besitzers.
Spricht man die Leute darauf an, höre ich immer wieder den gleichen Satz: ” Ja, der muss ja mal Hund sein dürfen.”
Grundsätzlich unterschreibe ich das. Jaaaa. Unbedingt sollte der Hund auch mal Hund sein dürfen. Es erschreckt mich nur, was manche Leute darunter verstehen.
Wenn Bobby nämlich gerne auf andere Hunde unkontrolliert zubrettert, mitten auf den Weg kackt oder Nachbars Katze fast vors Auto hetzt, hört es bei mir auf mit, der muss auch mal Hund sein dürfen.
Wenn man darunter versteht, seinen Hund überall frei rumlaufen zu lassen, obwohl man unter Ablenkung keinerlei Einfluss auf dessen Richtung, Tempo und Gemütslage hat, dann unterschreibe ich das keinesfalls. Dann finde ich das höchst verantwortungs -und rücksichtslos.
Wiederum finde ich erstaunlich, das genau jene Leute, die ihren Hund nicht im Griff haben, hintenrum mir und teilweise meinen Kunden unterstellen, der Hund hört so gut, da muss ganz viel Zwang drauf gepackt sein.
Nein liebe Leut, da muss ich euch enttäuschen, die Zauberwörter heißen da Abbruchkommando, Kontinuität,Konsequenz und stellvertretende Reize.
Viele Hunde lernen nie ein Abbruchkommando, welches sie auch verstehen. Denn allein das Wörtchen “Nein” zu sagen und Dinge wegzunehmen, ist noch lange kein erfolgreiches Training.
Seinen Hund abzurufen und das Kommen zu belohnen, ist eben auch kein Abbruch. Der Hund hat ja nie die Info erhalten, dass er da gar nicht hin soll.
Und nur weil Hunde gut im Gehorsam stehen, sich am Halter orientieren und sich in kritischen Situationen zurück nehmen können, sich abbrechen lassen und nicht zu jedem Hund hin rennen, heißt das noch lange nicht, dass diese Hunde mit viel Zwang erzogen wurden und nie Hund sein dürfen.
Ich finde es wichtig, bevor man Hunde auf Vollgas losrennen lässt, das man erst lernt sie auf Standgas zu kontrollieren. Und da hört es bei vielen schon auf. Ja warum, weil sie es nie üben!
Denn der kleine Welpe muss ja alles Kennenlernen, ist so süß, putzig und soooo lieb. Er hat Freiheiten ohne Ende und das passt auch momentan alles so. Schließlich freut sich jeder, wenn er den kleinen Knirps sieht. Auch andere, fremde Hunden, denn der hat ja Welpenschutz (das es den nur im eigenen Familienverband gibt und nicht unter fremden Hunden, hat man wohl vergessen zu erwähnen).
Und so rennt der Welpe mit Vollgas durch die Prägephase und nachher wundert man sich, warum man so einen hibbeligen, überdrehten Junghund hat, der plötzlich gar nicht mehr reagiert, auch nicht mehr auf sein heiß geliebtes Leckerli.
Meine Hunde dürfen jeden Tag mit mir zusammen oder mit anderen (normalen) Hunden toben und laufen. Sie dürfen sich dreckig machen, wild sein, nach Mäusen suchen und auch mal voll aufdrehen. Die Bedingung dafür ist aber, dass sie jederzeit unter meinem Einfluss stehen. Wenn ich meinen Hund in einer Level 10 Situation ( wild toben mit anderen Hunden) nicht bremsen kann, dann sollte ich das üben und meinem Hund eben nicht trotzdem mit anderen Hunden über die Wiese brettern lassen, wissentlich keinen Einfluss mehr auf diesen zu haben. In der Situation lernt der Hund nämlich trotzdem sich zu verhalten, nur nicht in die gewünschte Richtung.
Ich sollte ihn auch nicht ableinen, wenn er bei Ablenkung auf und davon ist und meine Verantwortung anderen in die Schuhe schieben (der tut nix). Auch sollte ich ihn nicht nach Mäusen buddeln lassen, wenn er meter große Löcher in Wiesen anderer Leute hinterlässt und der Bauern mit seiner Landmaschine darin hängen bleibt.
Den Hund Hund sein lassen, bedeutet für mich eben nicht, das der Hund machen darf was er will.
Es bedeutet, dass ich seine Bedürfnisse und spezifische Rassemerkmale verstehe, respektiere und ernst nehme.
Mein Mali muss nicht alle fremde Menschen und Hunde lieben, das entspricht nicht ihrem Naturell, aber sie darf sie akzeptieren und weit möglichst ignorieren. Und ja, wenn ihr ein anderer Hund an der Leine “Blöde Kuh” zu ruft, dann darf sie, nach Freigabe, auch mal entsprechend ihr Gesicht wahren und “Drecksack” zurück brüllen.
Wir alle führen Hunde und keine Maschinen und keiner von uns, mich eingeschlossen, ist perfekt.
I love to entertain you 😉
Dennoch sollte es möglich sein, ein wenig Rücksicht zu nehmen und beispielsweise seinen Hund an der Leine zu lassen, wenn dieser noch nicht zuverlässig hört.
Im Zweifel hilft eine ernst gemeinte Entschuldigung.
Auf ein besseres Miteinander
Eure Katharina